Dienstag, Oktober 18, 2005

DIE WEISSE MASSAI

von sky-fits-heaven

„Hätte sie nicht einfach nur mit ihm ins Bett gehen können?„ Und dann Schweigen. Ich hätte bis zu diesem Zeitpunkt meine Moogie (für alle unwissenden, das ist Ferengi für „Mama“) nie für eine kategorische Vertreterin von Bums-ihn-und-vergiss-ihn-Abenteuerurlaub gehalten. Andererseits kann ich ihre Position verstehen. Der Film liess vielleicht in ihrem Fall auch keine andere zu.

Wir kamen gerade aus „Die weisse Massai“ – der mich nicht sonderlich bewegt hat, in Moogie aber einen ganzen Zornesschwall ansteigen liess. Das Unverständnis über das Handeln der Schweizerischen Hauptfigur Carola Lehmann (Nina Hoss) liess sich in ihr nicht überwinden.

Carola wird während einer Urlaubsreise in Kenia vom Blitz getroffen. Oder Amors Pfeil – oder von irgend so nem anderen Teil, das einem Lobotomie-Liebe einbringt. Jawohl, Lobotomie-Liebe. Ein Zustand, der mir persönlich leider bekannt ist. Man verliebt sich Hals über Kopf in das Bild eines Menschen, nicht in die wirkliche Persönlichkeit selbst. Die Intensität der Gefühle lassen einen sodann auch alle Bedenken oder wirklichen Charaktereigenschaften jenes Menschen vergessen oder ins positive uminterpretieren, so dass das eigene Bild so lange wie möglich aufrecht erhalten wird. Man könnte es auch „Obsession“ nennen.

Ich habe das schon erlebt. Meine Moogie aber vielleicht eben nicht. Ich habe nicht gefragt. Aber falls es so ist sei es ihr gegönnt, denn bei mir führte diese Art von Liebe durchaus ebenso zur vorübergehenden Archivierung des Verstandes wie bei Carola, die ihr Leben in der Schweiz auf einen Schlag hinter ihr lässt um fortan mit dem Massai Lemalian (Jacky Ido) bei dessen Volk im Busch zu leben.

Kulturelle Grenzen und Unverständnis gilt es zu überwinden – wobei hier aber lediglich der westliche Sexualunterricht für Lemalian als ansatzweise erfolgreich dargestellt wird. Ein Fünf-Filmminuten-Protest Carolas gegen die Beschneidung von Massai-Frauen oder die Eröffnung eines Ladens als Geldquelle für den Stamm, der bislang nur von seinen Ziegen lebte . . . wozu führt das alles? Nicht viel. Sollte es überhaupt? Da muss es doch noch mehr gegeben haben. Nicht mehr westliche Veränderungen, sondern mehr ehrliche Empathie für die Lebensweise der Massai und Opferbereitschaft Carolas. Wie sonst hätte sie vier Jahre bei diesem Volk und mit diesem Mann leben können? Nach Antworten auf diese Fragen sucht man zumindest im Film vergebens.

Die Lektüre eines Interviews mit Corinne Hofmann, welche die Buchvorlage nach ihren eigenen Erlebnissen schrieb, hilft hierbei zahlreiche Erkenntnislücken zu schliessen.
(Link: http://www.kino-zeit.de/filme/artikel/3711_die-weise-massai---ein-interview-mit-corinne-hofmann-uber-die-verfilmung-ihres-buchs.html )

Der Erklärungsbedarf Hofmanns sagt viel über das löcherige Gerüst der Verfilmung aus. Trotz Einsatz von Off-Monologen schafft es die Fernsehpreis-gekrönte Regisseurin Hermine Hundtgeburt nicht dem Zuschauer näher zu bringen, was wirklich in den entscheidenden Momenten im Kopf der Protagonistin vorgeht. Hier steht der Zuschauer alleine da und muss sich mit Assoziationen zu bereits selbst erlebtem Gefühlschaos oder die eigene Fantasie über die Runden retten. Und das wird bei vielen Kinogängern, wie eben auch im Falle meiner durchaus auch mit Sinn für Romantik ausgestatteten Moogie, nicht genug sein.

Vielleicht ist der Stoff der Buchvorlage auch einfach nur zu umfangreich um verständlich in einen Zwei-Stunden-Film gequetscht zu werden, mag sein. Und vielleicht würde sich das Lesen der Buchvorlage gerade aus diesem Grund lohnen. Doch verspüre ich nicht wirklich viel Lust wieder in diese staubige Welt der Obsession zurückzukehren. Höchstens beim Anhören der Filmmusik von Nikki Reiser, welche im Gegensatz zum Film selbst wirklich sehr zu empfehlen ist.

Regie: Hermine Huntgeburth
Drehbuch: Corinne Hofmann(Buch), Johannes W. Betz
Cast: Nina Hoss, Jacky Ido, Katja Flint
Constantinfilm 2005